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Otto Breicha - Über Martin Anibas und sein Zeichnen
Zumeist ist Figürliches (oder sonstwie Gegenständliches) in die Zeichnungen von Martin Anibas mithineinverwoben. Zumeist entsteht aber eine eigentümliche Dynamik aus dem Zeichnen heraus: merkwürdige Bildungen, auf die er es anlegt, neuerdings sogar ausgesprochener "Schwung". Vielleicht ist es etwas geradewegs Vegetatives:
ein wie naturhaftes Wachsen: eins aus dem anderen und zu anderem dazu.
Und nach Regeln, zu denen er sich nicht gern äußert. Wenn auch ab und an
Farbe dazugebröckelt wird, schätzt er das Tuschezeichnen als seine Domäne ein.
Er sieht es, so wie er es auf- und anfaßt, als einen Grenzfall von Malerei.
Er zeichnet, was ihm augenblicklich (und sozusagen unter der zeichnenden Hand)
einfällt: animierte Strukturen und Strichknäuel, in denen man, wenn man so will,
auch irgendwelche Köpfe, Büsten und Figuren erahnen kann, deren künstlerischer Inhalt
es aber nicht ist, figürlich zu beeindrucken (oder überhaupt irgendetwas nachzuahmen).
Naturgemäß gibt es Situationen, die immer wieder ergiebig sind oder die Möglichkeit
(oder gar Notwendigkeit) nahelegen für ein Fortsetzen und Weiterentwickeln.
So ist es gewiss kein Zufall, wenn beim Arbeiten Zusammenhänge entstehen,
auch wenn Anibas sie eigentlich nicht beabsichtigt, dass an und für sich Zusammenhangloses zusammenhängt.
Zeichner sind eine Spezies für sich. Wenn sich Anibas schon von irgendwoher
"bestätigen" läßt, am ehesten von Nurzeichnern vom Schlage eines Kurt Moldovan,
der sein Leben lang beim Zeichnen notorisch aus dem Gezeichneten Konsequenzen gezogen hat. Durchaus ähnlich handelt Martin Anibas auf seine Weise, nicht dekorativ, sondern auf sensible Spannungen bedacht. Überhaupt ist Sensibilität, kommt mir vor, seine unausgesprochene Stärke, auf der er nicht herumreitet wie andere es tun,
sondern die aus seinem Wesen kommt und sich an Gleichgestimmte wendet.


Heinrich Christian Otto

I
die unzahl unübersichtlichkeit ja überfülle an zeitgenössischen bildenden künstlern
(auf hundert ausübende kommt bestenfalls ein halber könner) zwingt die wirklichen persönlichkeiten, sich, bereits mit der reinen form, der puren originalität beginnend,
von den unbedeutenden "ich-bins"abzugrenzen.

II
tuschaquarelle, mit mehr oder minder sparsamer verwendung der weissflächen und
der schattierung, stellen eine ideale möglichkeit, eine praktikable ausdrucksform dar,
sich von papageienpatzern und ihren ordinär-aufdringlichen grossflächen zu
distanzieren; martin anibas gelangen seltsame schwarzweiss-apokalypsen
und auffallende schöpfungsgeschichten in einem.

III
lichtschnelle bewegung, keinerlei stagnation, handlung und verwandlung,
prägen den stempel der neuheit des nochnicht-dagewesenen.

IV
zur manier:
auffallend klare verwischungen sowie umschleierte präzise linien,
lassen landschaften in personen (deren charakterskizzen),
andererseits personen in landschaften (deren stimmungswerte)
münden. das paradoxon gewinnt in derartigen arbeiten
absolute verständlichkeit.

V
abschliessend möchte ich noch die "bloss gefühlsmässige" bemerkung
anknüpfen, dass, bei jeder betrachtung dieser konglomerate aus sternstaub
und russ, dieser schwarzen löcher und weissen zwerge, ich mich in das packende
szenar eines kriminalklassikers der "schwarzen serie" verwickelt sehe.
abstraktion auf ausdruckvollster stufe!


Auszug aus einem Text von Wolfgang Müller-Funk
zu den Bildern von Martin Anibas

Die Bilder - aquarellierte Tuschearbeiten - von Martin Anibas sind Nachtstücke in Hoffmanns Manier, nicht nur, weil der Künstler in der Nacht arbeitet.
Sie sind ein stummes Erzählen über eigene, rational ungreifbare Befindlichkeiten.
Bei einem Künstlersymposion in Italien habe ich Martin Anibas bei der Arbeit beobachten können: So viel Schweigen und Warten habe ich sprechwütiger Intellektueller selten erlebt. Nach einer langen durchwachten Nacht eine ganze Serie von kleinen, fast miniaturhaften Bildern. Aber es wäre falsch, diese Arbeiten als bloße Manifestation, als expressive Akte und ästhetische Urschreie zu verstehen: so käme nur heraus, was immer schon in ihm ist.
Bezeichnend ist, dass Anibas, der sich glänzend mit den neuesten Medien auskennt und der mühelos an der medialen Spaßkultur unserer Tage teilnehmen könnte, bei seiner Arbeit zu Feder und Tusche greift. Sie sind seine Navigationsinstrumente im Raum des Imaginären. Die Formen sind nicht etwa schon vorher da, sondern sie entstehen mit der Bewegung der Feder. Die Farbe koloriert und unterstreicht. Paradox formuliert, handelt es sich um nicht decodierbare Geheimschrift, zu der niemand den Schlüssel hat, der Künstler am allerwenigsten. Es ist die Hand, das Medium der Hand (Seitter), die mitteilt und die diesen Prozeß steuert. Zwar lassen sich Martins Bilder medial modernst präsentieren und er hat dies auch getan, aber die Gebilde, die sich jeder Mimese widersetzen, lassen sich nicht per Mausklick abrufen oder gar generieren. Die Hand, die die Feder führt, und die Feder, die die Hand führt, sind keine Medien, keine bloßen Werkzeuge. Sie bringen erst jene fließenden dynamischen Formen hervor: eine ganz eigene Welt, die die seine ist und die zugleich die unsere ist, wenn wir die Meditation mit der Feder gleichsam in uns selbst nachvollziehen. In einem präzisen Sinn ist die Kunst von Anibas nicht abstrakt, sondern höchst konkret: Formen einer sich selbst vorführenden Einbildungskraft, Formationen des Unbewussten, die nicht schier gegenständlich sind, auch wenn sie zuweilen - rund oder spitz - zu changieren scheinen; Anklänge an organische Formen, Pflanzen, Körperteile, aber auch Schriftzeichen werden suggeriert und irrlichtern als vergrößerte Ausschnitte, Fragmente solcher vertrauter Gestalten des Kreatürlichen. Vermutlich ist es das Moment der Bewegung, die sie wie selbstverständlich vollziehen und die sie von einem Arm, einer Pflanze, einer weiblichen Brust usw. unterscheiden. Zugleich aber sind die Bilder, die stets Teil einer seriellen Abfolge sind, seltsam in sich zentriert, altmodisch und ästhetisch schön in sich geschlossen. Sie sind perfekt, das heißt abgeschlossen, weil kein Strich zuviel in ihnen ist und weil Anibas der Versuchung widersteht, dieses befremdliche Andere, Dunkle kitschig auszutapezieren.


Brigitta Höpler - Bildfortsetzungen

Zu den Arbeiten von Martin Anibas,
mit dem Bewusstsein,
dass sich Zeichnung und Malerei im Grunde
genau mit dem beschäftigen,
worüber man nicht sprechen kann.

Zeichnen: etwas zwischen Malen und Schreiben.
Eine eigene Handschrift entwickeln, Zeichen erfinden,
die Ideen, Gefühle, Spannung, Bewegung ausdrücken.
' Linien, die von den Strichen zu den Dingen, den Wesen,
den Gebärden, den Situationen führen'. (Henry Michaux)

Lineare und farbliche Annäherungen,
die einer Gemütsbewegung,
einer Erinnerung und einer Ahnung,
etwas Gesehenem und etwas noch nicht Gesehenem
etwas Landschaftlichem und etwas Menschlichem
etwas Bewegtem und etwas Ruhigem
etwas Ungestümen und etwas Zurückgenommenen
etwas Intensivem und etwas Leichtem
etwas Düsterem und etwas Leuchtendem
ungeschützt ihren Ausdruck geben.

Kleine Formate, handgeschöpftes Papier,
Bewegung übersetzt in ihre Spur, die Linie.
Spuren im Papier, ins Papier eingeschrieben.
Linien, mit gespaltener Tuschfeder, durchgedrückt,
eingeritzt. Dazu Farbe und Wasser.

Ein Bild mit zwei Seiten,
die eine, beabsichtigte, farbige,
die Rückseite, die entstandene,
mit Grauwerten, Linien, Schattierungen.

In unzähligen Stößen aufeinandergestapelt
ein Bild mit sechs Seiten:
die zerfransten, gewellten,
unregelmäßigen, eingefärbten Ränder
haben etwas Organisches, etwas Lebendiges.

Jedes Bild für sich und doch Teil eines Ganzen,
zu Bildblöcken aufeinandergestapelt,
wie im Atelier in Zwettl oder
zu Bildblöcken nebeneinander gehängt,
wie in Paliano.

Täglich/Nächtlich weiterarbeiten.
Begonnenes fortsetzen,
dem Entstehenden trauen
und kein Ende finden. Bildbesessen.